Rasselisten, warum und wie sind sie entstanden?
Über den Sinn und Zweck von Gesetzen die einzelne Hunderassen per Gesetz als vermutlich gefährlich deklarieren, braucht man eigentlich nicht diskutieren. Es ist vielfach wissenschaftlich widerlegt. Aber leider sind wissenschaftliche Erkenntnisse, ja selbst die vorliegenden Statistiken – die eindeutig aussagen dass diese Listen keinen Sinn machen -, kein Grund für den Gesetzgeber etwas zu ändern.
Angefangen hat das mit der Rassen-Hundegesetzgebung in Bayern 1991.
(Wobei in einigen Bundesländern mit Metropolen (Hamburg, Berlin, Frankfurt) Ende der 80er Jahre, einige Bestrebungen für Gesetze vorhanden waren. Nur wurden Rassebezogene Aspekte wieder gestrichen. Mit der Ausnahme Hessen, wo man auf mehrere Vorfälle im Frankfurter Milieu, reagiert und den Dogo Argentino als Rasse reglementierte.)
Sicher gab es Ende der 80er/Anfang 90er Jahre aus der Sicht Einiger auch tatsächliche Gründe gegen einige Auswüchse in bestimmten Kreisen von Hundehaltern und Züchtern, gerade in Bayern, etwas zu tun.
So beschäftigte sich der Bayrische Landtag, mit Drucksache 12/4975 ( Link ) vom 15.10.91 mit einer Anfrage des SPD Abgeordneten Langenberger, über einen Bullterrier und späteren Alano-Züchter aus Ellwangen. Der soll laut Medienberichterstattung seine Hunde in Tschechien und Jugoslawien auf Wildschweine in einem Gatter hetzen und mit „Hunde an Sauen erprobt“ haben. Der Stern hatte einen Reporter in eine „Jagdgruppe“ eingeschleust und machte das ganze zum Thema. Die lokalen Medien in Bayern überschlugen sich, auch deutschlandweit war es Thema. Dies kam zusammen mit einer wachsenden Beliebtheit des Bullterriers, allein beim VDH sind die Welpenzahlen von um die 200 Ende der 70er Jahre, auf über 1.000 in 1990 explodiert.
Damit wir nicht falsch verstanden werden, es geht nicht darum diesem Züchter etwas vorzuwerfen. Sollten beschriebene Praktiken tatsächlich passiert sein, ist dies sicherlich nicht unser Weg und Verständnis vom Sinn und Zweck eines Hundeeinsatzes oder Leistungstest. Aber obgleich wir dies verurteilen und ablehnen würden, ist es seine Sache. Bis zu dem Moment wo er es öffentlich macht und gar als Werbung benutzt.
Denn dann richtet er Schaden für die Rasse, und weitere „ähnliche (für Laien und so genannte Sachverständige der Behörden) Rassen“ aus.
Denn aus den Nachwehen dieser Anfragen verlangte der Abgeordnete Langenberger, auch später ein deutlich härteres Vorgehen und restriktivere Gesetze gegen „Killerhunde“. (Bayrischer Landtag, 12/482 Februar 1992).
So nahm das Ganze seinen Lauf,
was dann folgte war politiktypisch.
Öffentlichkeitswirksam wurde die große Keule geschwungen.
In Madrid hat man damals zuerst anders gehandelt, nach Vorfällen – unter Einfluss des selben deutschen Züchters, mit Hundekämpfen/Wetten und mehr – setzte man zuerst auf eine Melde- und Kennzeichnungspflicht für Bullterrier.
Nun kann man nicht erwarten, dass deutsche Politiker Hundeexperten sind. Als Experten holte sich das Bayrische Innenministerium damals einen ehemaligen Polizeihauptkommissar außer Dienst. Den Dipl. Verwaltungswirt Franz Breitsamer, dieser ist öffentlicher Sachverständiger im Hundewesen in Oberbayern. Nur so ganz unumstritten sind nicht alle Qualifikationen und Betätigungen des Herrn Breitsamer. Gleichwohl hat der Züchter von deutschen Doggen in praktisch jedem Bundesland “seine Spuren” in den jeweiligen Rasselisten hinterlassen.
Herr Breitsamer machte sich also an die Arbeit, er erstellte eine Liste und schrieb Hunderassen auf diese Liste. Er bediente sich aber nicht Statistiken, Berichten über Vorfällen mit Hunden (diese gibt es bis heute in Bayern nicht ( Link )).
Der gute Mann las Bücher, besonders hatten es ihm die Bücher der Hundebegeisterten selbst angetan. Wer einmal das Buch „Kampfhunde I“ von Dr. Fleig im Kynos-Verlag (erschienen1982) liest, wird hinten eine genaue Auflistung finden.
Mit den Unterteilungen:
1. Alte Kampfhunderassen,
2. Moderne Kampfhunderassen
und 3. Kampfhunde der Zukunft.
Ein Quell wahrer Freude für einen Gutachter der gerade eine Rasseliste erstellen soll. Eine Vorlage die dankbar abgeschrieben wurde.
So kam die erste Rassenliste für Hunde in Deutschland, und auch weltweit, am 10.07.1992 in das Gesetz eines Landes.
Man listete die ersten Rassen als gefährlich auf Liste 1, und weitere als wahrscheinlich gefährlich, in einer Kategorie 2 genannten Liste.
Der Sinn ist einfach und schlicht,
es ist einfach ein Umdrehen unseres Rechtssystems,
die Beweislastumkehr.
Eigentlich gilt bei uns jeder solange als unschuldig bis seine Schuld bewiesen ist.
Im Fall der Rasselisten für Hunde hat man das System umgedreht, der Halter ist nun verpflichtet, die Unschuld – sprich Ungefährlichkeit – seines Hundes zu beweisen.
Von dieser Bayrischen Rasseliste haben dann nach dem Tod des jungen Volkan in Hamburg am 16.Juni 2000 fast alle Bundesländer im Strudel der bluttriefenden Medienkampagne zur Beschwichtigung der öffentlichen Meinung abgeschrieben und Rasselisten erstellt.
Fazit:
Einzelne Vorfälle, aus dem Kreis von wenigen, können für viele sehr schädlich sein. Manchmal reicht ein Vorfall (siehe z.B. Amoklauf in Erfurt, obgleich die Pumpgun als Hauptwaffe nicht legal erworben wurde, Verschärfung des Waffengesetzes und Diskussion über Computerspiele) um für eine deutliche Reaktion per Gesetz zu sorgen. Politik reagiert auf Anregungen und Zwänge, diese werden sehr oft von den Medien gegeben. Politik funktioniert oft nach dem System des geringsten Widerstandes. Wo keine Lobby da hat es die Politik leicht, eine Abwägung zwischen den Vorteilen des Handelns (gerade auch in öffentlichkeitswirksamen Bereichen) und dem zu erwartenden Widerstand und Ärger zu treffen. Bemerkenswert, dass in der ersten Liste des Bayrischen Gesetzes keine einzige deutsche Hunderasse zu verzeichnen ist. Hier wäre der Widerstand der Lobby (VDH) wohl doch zu groß gewesen.
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